Ein äthiopischer Psalter

Einen Blickfang besonderer Art stellt in der Handschriftenabteilung der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden ein so genannter äthiopischer Psalter aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dar. Es handelt sich dabei um ein christliches Gebetbuch, das in dieser Form in großer Zahl von vielen Gläubigen in Nordafrika noch täglich gebraucht wird. Zwischen dem 4. und 7. Jh. wurden die Inhalte ins Ge´ez übersetzt, die ehemalige äthiopische Landessprache, die offiziell noch immer Kirchensprache ist. Noch heute werden diese Bücher von Hand geschrieben, obgleich es schon im 16. Jahrhundert gedruckte Versionen in Rom und Köln gegeben hat.

Gebunden ist das vorliegende Buch in Holzdeckel, die beide gebrochen sind, wobei vom vorderen Deckel die äußere Hälfte fehlt. Risse in den einzelnen Pergamentseiten wurden genäht. Die einzelnen Lagen wurden mithilfe eines zusätzlichen Pergamentstreifens am Rücken geheftet. Die Blätter sind am Außenrand teilweise lädiert, weisen aber wenig Textverlust auf.

Der Psalter enthält die für diesen Typ charakteristischen Texte, nämlich den Großteil der 150 Psalmen des biblischen Kanons, den apokryphen Davidpsalm, die 15 alt- und neutestamentlichen Cantica wie das Gebet der drei Jünglinge im Feuerofen (Dan 3, 52-56) oder auch das Magnifikat (Lk 1, 46-55) sowie das Hohelied Salomos. Die ersten Blätter scheinen zu fehlen, da Psalm 7, Vers 6 am Anfang steht. Traditionell werden in Äthiopien die Psalmen werktags gesungen, wohingegen die Cantica nur an Sonntagen angestimmt werden.

Oftmals beigebunden, wie im vorliegenden Fall, ist der Lobpreis Marias für die sieben Wochentage sowie das Marienoffizium für den Sonntag. Der Gottesmutter kommt in Äthiopien eine besondere Verehrung zu, so dass die vorhandene Marienliteratur sehr umfangreich ist. Es gibt zahlreiche Legenden, die hauptsächlich von Frankreich aus im 12. Jahrhundert durch Kreuzfahrer im Orient Verbreitung fanden. Im Emder Exemplar ist dem eigentlichen Lobpreis der Gottesmutter das Marienwunder des syrischen Töpfers vorangestellt worden. Darin heißt es, dass dem Töpfer Ephram eines Tages bei seiner Arbeit Maria erschienen sei und dass er daraufhin angefangen habe, ihr Loblied an diesem und den folgenden Tagen zu rezitieren. Darum sieht die Tradition in ihm auch den ursprünglichen Verfasser der Wochentagshymnen.

Ganz am Ende findet sich ein liturgisches Gebet in einer verblassten rotbraunen Schrift, das nur noch bruchstückhaft vorhanden ist und bei dem auch kein Sinnzusammenhang mehr herstellbar ist.

Ein Eintrag auf Blatt 174 r verrät schließlich, dass der Psalter ursprünglich einem Mann namens Za-Maryam gehört hat. Viel mehr lässt sich heute aber über die Herkunft des Buches nicht mehr sagen. Die Johannes a Lasco Bibliothek erhielt es aus dem Nachlass des Stern-Gründers Henri Nannen, der aus Emden stammte.

Klaas-Dieter Voß

 

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